EuroBasket 2025: Deutschland dreht Krimi gegen Slowenien – 99:91 trotz 39 Punkten von Doncic
Sep 11, 2025
Pascal Steinhauer
von Pascal Steinhauer

Ein Viertelfinale mit zwei Gesichtern

Spiele, die Mannschaften formen, sehen so aus: Deutschland stand in Riga lange unter Druck, bekam von Slowenien und einem überragenden Luka Doncic den Takt diktiert – und gewann am Ende trotzdem 99:91. Im Viertelfinale der EuroBasket 2025 drehte der Weltmeister eine Partie, die ihnen früh zu entgleiten drohte, und buchte das Ticket für das Halbfinale am Freitag gegen Finnland.

Der Anfang war holprig. Slowenien traf, Deutschland suchte. 32:21 stand es nach dem ersten Viertel, angetrieben von zehn frühen Punkten von Doncic. Als der Vorsprung kurz darauf auf 34:21 anwuchs, roch es nach einem langen Abend für die Deutschen. Dann kam die erste Antwort: härtere Closeouts, Hände in den Passwegen, Tempo nach Ballgewinnen. Ein 13:2-Lauf machte aus einem wackligen Start ein Spiel auf Augenhöhe, 36:34. Es blieb aber zäh: Zur Pause führte Slowenien 51:45, Doncic hatte bereits 22 Punkte auf dem Konto.

Das dritte Viertel drehte an der Spannungsschraube. Zwei Minuten nach Wiederbeginn kassierte Doncic sein viertes Foul. Viele hätten ihn runtergenommen, Sloweniens Coach ließ ihn drauf. Zunächst zahlte sich das aus: Slowenien blieb vorne, 59:52, später sogar 73:64. Deutschland fand offensiv keine Konstanz, bekam defensiv aber immer mehr Zugriff. Und dann kam die Szene, die Energie freisetzte: Tristan da Silva nagelte einen Buzzer-Beater von der Mittellinie – 74:70 nach drei Vierteln. Die Körpersprache kippte.

Im Schlussabschnitt dominierte Deutschland die entscheidenden Sequenzen. Back-to-back-Dreier – erst die erste Führung, dann die Bestätigung. Ein 12:0-Lauf drehte das Spiel komplett auf 77:74. Slowenien wackelte, fiel aber nicht sofort. Doncic stemmte sich dagegen und brachte sein Team 4:12 vor Ende mit einem Dreier sogar nochmals 86:85 nach vorne. Doch dann passierte aus deutscher Sicht das, worauf ein wacher Point Guard wartet: Dennis Schröder, bis dahin 0/8 von draußen, traf seinen ersten und einzigen Dreier – 88:86. Das Momentum war endgültig auf deutscher Seite.

Was danach folgte: Stops, Ruhe, klare Entscheidungen. Deutschland erlaubte Slowenien fast drei Minuten lang nur zwei Punkte, zog auf 96:89 davon, und brachte die Partie souverän nach Hause. 9.038 Zuschauer in der Arena Riga hatten einen Mix aus Star-Show und Teamantwort gesehen – und am Ende den Beweis, dass ein tiefes, gut abgestimmtes Kollektiv selbst einen Ausnahmekönner wie Doncic zähmen kann, wenn es in den großen Momenten geschlossen auftritt.

Die nackten Zahlen erzählen die Geschichte mit. Franz Wagner war Deutschlands Topscorer mit 23 Punkten, spielte geradlinig, suchte den Ring, traf Mitteldistanz und legte die Defense damit in die Zange. Kapitän Schröder kam auf 20 Punkte und sieben Assists – und lieferte die Szene des Abends mit seinem späten Dreier. Andreas Obst setzte in der heißen Phase das Ausrufezeichen auf den 12:0-Lauf. Und da Silva gab mit seinem Halbzeitlinien-Wurf dem Spiel die emotionale Wende, nach der Deutschland gesucht hatte.

Und Doncic? Der Superstar packte alles aus: 39 Punkte, zehn Rebounds, sieben Assists. Fünf seiner 16 Dreier fielen, viele Würfe waren schwer, manche fast unmöglich. Ein technisches Foul früh im Spiel und die Foulbelastung nach dem Seitenwechsel schnitten seiner Aggressivität phasenweise die Flügel, aber seine Präsenz blieb der Taktgeber. Es war sein fünftes 30-Punkte-Spiel im Turnier – doch es reichte wieder nicht für das Halbfinale. Slowenien scheidet zum zweiten Mal in Folge im Viertelfinale aus.

Spannend war, wie Deutschland Doncic den Abend gleichzeitig schwer und teuer machte. Kein starres System, sondern wechselnde Verteidiger, frühe Hilfe an der Birne, und sobald der Ball rausging, aggressive Closeouts an den Schützen. Das nahm Slowenien das einfache Spacing. In der Folge lebte die Offense zu oft von Einzelaktionen. Genau in dieser Lücke gewannen die Deutschen die Rebound-Battles und setzten mit Transition den Gegenakzent.

Der Gameplan der Deutschen trug im vierten Viertel sichtbar Früchte. Schröder dirigierte das Tempo, zog Verteidiger auf sich und fand Wagner, Obst und Co. in Rhythmuswürfen. Die Bank brachte Impact, ohne das Scoreboard zu sprengen: frische Beine, Fouls zum Verteilen, kleine Stops zu großen Momenten. In K.-o.-Spielen zählt das.

Der Kontext macht den Sieg größer. Der Weltmeister behielt in einer Partie mit hohem Erwartungsdruck die Nerven. Spanien, Serbien, Frankreich – raus. Das Feld wirkt offener als in früheren Jahren. Deutschland musste sich das Privileg, Favorit zu sein, hart erarbeiten, und lebt jetzt damit. Genau solche Siege, in denen man lange hinterherläuft und doch die Ruhe behält, sind die Bausteine, die ein Team für den Titel braucht.

Dass ausgerechnet Schröder, aus der Distanz bis dahin kalt, den wichtigsten Wurf trifft, passt ins Muster dieses Abends. Dieser Dreier war weniger Statistik, mehr Signal: Wir spielen unser Spiel, auch wenn’s zäh ist. Dazu die defensive Klarheit in den letzten Minuten – Hände oben, Körper davor, keine billigen Freiwürfe – und eine Offense, die auf den Punkt geduldig wurde. Der Unterschied zwischen guter und sehr guter Mannschaft.

Auch psychologisch war viel drin. Das technische Foul gegen Doncic im ersten Durchgang, dazu sein viertes Foul kurz nach der Pause – das kostete Slowenien Optionen. Entweder man nimmt den Star runter und verliert Rhythmus, oder man lässt ihn drauf und riskiert das Fünfte. Slowenien entschied sich für das Risiko. Deutschland nutzte die entstehenden Brüche clever aus, indem es die Help-Defense band und von der Weakside attackierte.

Was der Sieg für Deutschland bedeutet

Der Blick geht nach vorn: Halbfinale gegen Finnland am Freitag. Ein Team, das über Tempo, Mut von der Dreierlinie und viel Spacing kommt. Für Deutschland heißt das: defensiv die Linie halten, Rebounds einsammeln, frühe Fouls vermeiden – und vorn geduldig bleiben. Die Rollen sind klar, aber nicht starr: Wagner als erste Option, Schröder als Taktgeber, dazu Schützen, die Räume öffnen. Wer die Nerven behält, zieht ins Endspiel ein.

Strategisch dürfte die Lehre aus dem Slowenien-Spiel gelten: Variabilität schlägt Starrheit. Deutschland hat gezeigt, dass es matchupspezifisch verteidigen, Momentumwechsel überstehen und Spiele im letzten Viertel lösen kann. Genau das ist im Turniermodus Gold wert. Und da ist noch etwas: Tiefgang. Wenn ein Buzzer-Beater von der Mittellinie und ein später Dreier eines zuvor eiskalten Captains das Spiel entscheiden, spricht das für Breite und Glauben an den eigenen Plan.

Historisch schwingt noch ein anderer Ton mit. Deutschland hat seit dem WM-Titel 2023 oft den Stempel „Favorit“ getragen – und ihn nicht immer gemocht. Jetzt hat das Team einen dieser Pflichtsiege unter Druck eingefahren, die in Erinnerung bleiben. Die Chance, den ersten EM-Titel seit 1993 zu holen, lebt. Der Weg ist anspruchsvoll, aber nach Riga ist klar: Dieses Team kann auch dann gewinnen, wenn der beste Spieler auf dem Parkett das falsche Trikot trägt.

Für Slowenien bleibt die Nacht der verpassten Gelegenheit. Doncic war großartig, doch die Entlastung blieb zu dünn, als es zählte. Foulprobleme, ein technisches Foul in der Hitze des Gefechts, ein paar defensive Rotationen zu spät – Kleinigkeiten, die sich auf diesem Niveau summieren. Das Viertelfinal-Aus tut weh, gerade weil die Tür einen Spalt offen stand. In solchen Spielen entscheidet die Fähigkeit, die letzten fünf Minuten zu kontrollieren. Das gelang Deutschland besser.

Am Ende bleibt ein Basketball-Abend, der vieles erklärt, was Knockout-Spiele ausmacht: Der Star kann das Spiel bestimmen, aber die Mannschaft entscheidet, wer es gewinnt. Deutschland hat das in Riga bewiesen – mit Geduld, Physis und einem Timing, das in die Vorschau auf das Wochenende gehört.